Giebichenstein

Aus Stadtgeschichte Halle
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Namensgebung und Bedeutung des Ortes Giebichenstein

Die Bezeichnung von Giebichenstein ist ungeklärt, vermutet wird die Namensgebung durch die Warnen im 4. Jhd als Ableitung von „Gibiko“ = dem lieben Geber (Koseformvon Geber). In dieser Zeit fällt auch die Vergeistlichung von Wodan zu einem friedlichen, Reichtum und Gelingen spendeten Windgott [1], er wird zum Inhaber der höchsten geistlichen Kräfte (Merseburger Zaubersprüche), der alles Gute und Wünschenswerte schenkt. Stein stellt als gängige Bezeichnung einer Opferstätte. die göttliche Stellung „des Gebenden“ heraus. Giebichenstein (civitas Giebichenstein) war das politische und wirtschaftliche Zentrum des frühen Siedlingsraumes. („Halle“ bestand zu dieser Zeit aus mehreren Siedlungskernen). Auf Giebichenstein sind fast sämtliche Urkunden des 10. und 11. Jahrhunderts bezogen, so auch die Marktprivilegierung von 987. Im 11. Jahrhundert scheint Halle durch den Beginn der Ausbeutung der reichen Solequellen im “Tal“ rasch an wirtschaftlicher Bedeutung gewonnen zu haben. Hierauf deutet auch die erste Nennung von Kaufleuten aus Halle im 11. Jahrhundert hin. In der Folgezeit entwickelt sich der Ort zur Stadt. Das politische Zentrum im Raum Halle bleibt aber bis weit über das 11. Jahrhundert hinaus die Burgsiedlung Giebichenstein[2]. Das Amt Giebichenstein war das wichtigste im Herzogtum Magdeburg und vielleicht auch in sämtlichen preussischen Staaten [3]. In den folgenden Jahrhunderten verschiebt sich das politische Zentrum mehr und mehr nach Halle [4].

  1. Der Giebichenstein als Gesamtburg. Schultze-Gallera, 1933 S. 8
  2. Die Topographie von Halle (Saale) im Mittelalter. Volker Herrmann
  3. Historisch-topographische Beschreibung der Stadt Halle im Magdeburgischen, Grottkau Verlag 1788, S. 194
  4. Schwarze Neuß, 1996, S. 31

Besiedelungsgeschichte im Überblick

Stein- und Bronzezeit

Der Archäologische Befund auf dem Areal der Burg Giebichenstein (Ausgrabungen an der Unterburg (1985) und Oberburg (1961-1970)) weisen auf eine intensive Besiedelung in der späten Bronzezeit (1800 v. Chr.) und frühen Eisenzeit (1200 v. Chr.). Dies ist belegt durch entsprechende Funde von Keramik, Tierknochen, Siebgefäßreste, Briquetage, Spinnwirtel in dem Burgareal, es wurden in den untersuchten Bereichen aber keine Hinweise auf eine speziell kultische Nutzung des Platzes gefunden. In diese Zeit gilt bereits eine frühe Nutzung der Salzquelle Wittekind als wahrscheinlich [1]. Das Gebiet war zudem sehr frucntbar (Lößböden), besaß viele Bodenschätze wie Silex, Felsgestein, Lehm und Ton [2].

Zeit der Kelten

Angus Konstam aus "Atlas der Kelten" [1]

Es ist sehr wahrscheinlich dass die Kelten den Namen der Stadt Halle (Stätte der Salzgewinnung, hal=Salz/Salzlager) und des Flusses Saale (Salzfluss, saile=Salzwasser) prägten, wenn sich auch keine Spuren für eine keltische Siedlung belegen lassen [3]. Es wird jedoch diskutiert, dass die heutigen Halloren Kelten waren und auch die Burg eine erste Festung der Kelten gewesen sein kann: „Prof. Horst Claassen vom Institut für Anatomie und Zellbiologie der Uni Hall): „Der Gedanke liegt nun nah, dass der keltische Einfluss bis Sachsen-Anhalt reichte. Die Kelten selbst haben den Salzabbau beherrscht und vielleicht sogar erfunden. Sie waren dann die ersten in Halle“, Selbst die Burg Giebichenstein könnte keltischen Ursprungs sein und als Bollwerk gegen die Germanen gedient haben. Die Burg gleiche jedenfalls stark der Festung Marienburg in Würzburg, die nachgewiesen aus dieser Zeit stammt [4]. Bemerkung: Kulturelle Elemente der Hallstatt-Zeit (800 - 480 v. Chr.) ist eine soziale Elite, deren Macht und Reichtum, sich auf Besitz von wirtschaftlichen Ressourcen und Rohstoffquellen sowie auf die Kontrolle des Handels mit Waren aller Art gründet[5]. Der Name Halloren stammt von hallones (=Halleute,Hallvolk)[6]

  1. Die Entwicklung von Halle (Saale) im frühen und hohen Mitelalter. Volker Herrmann. Veröffentlichung des Landesamtes für Archäologie.
  2. Die Entwicklung von Halle (Saale) im frühen und hohen Mitelalter .Volker Herrmann. Veröffentlichung des Landesamtes für Archäologie.S27
  3. Ueber die Halloren, als eine wahrscheinlich keltische Colonie, den Ursprung des Halle'schen Salzwerkes und dessen technische Sprache. Ch Keferstein1843. S. 21- 22.
  4. Ueber die Halloren, als eine wahrscheinlich keltische Colonie, den Ursprung des Halle'schen Salzwerkes und dessen technische Sprache. Ch Keferstein1843. S. 21- 22.
  5. http://home.arcor.de/joachim.weiser/keltenkultur/epochen/hallstatt-zeit.html
  6. Thür.-Sächs. Zeitschrift f. Geschichte der Kunst XVIII S. 92, Bernhard Sommerland, Das alte Halle, Aus den Schriften von Siegmar von Schultze-Gallera zusammengestellt und herausgegeben von Erich Neuß, Köhler & Amelang zu Leipzig, S.20

Zeit der Germanen

Karte der Germanischen Stämme um 100 n. Chr. (ohne Skandinavien) .

Vermutlich lassen sich 4. Jh. v. Chr Germanen (v.a. der Stamm der Hermunduren) nieder und werden erst im 3. Jhd. von den Warnen (ebenfalls ein germ. Stamm) verdrängt. Es gibt jedoch keine archäologischen Nachweise über Besiedelung des heutigen Burgareals Giebichensteins während der römischen Kaiser- und Völkerwanderungszeit[1]. Dies evtl. ist auf eine geringe Siedlungsdichte zu deuten.

  1. Der Giebichenstein in Halle (Saale). Neue Erkenntnisse zur prähistorischen Besiedlung und zur mittelalterlichen Baugeschichte. Thorsten Schunke und Mario Küssner

Waren die Römer in Halle?

Eine Wallburg in Bereich des Bergrückens beim Amtsgarten gilt als wahrscheinlich[1]. Hier gab es zahlreiche Funde von römischen silbernen und kupfernen Münzen[2]. Aber auch „metallene Zierrate, Hals- und Armringe, …Pferdegebisse, verrostete Klingen von Messern und Spießen,, auch irdene und steinerene Gefäße, …“. dies spiegelt auch die Namensgebung wieder: Römerberg, Römerschanze. Es ist bekannt, dass der germanische Stamm der Hermunduren mit den Römern intensiven Handel trieben[3]. Es gibt eine Sage die den römischen Feldherr Drusus mit dem Namen der Burg verknüpft: Der römische Feldherr kam mit seinem Herr bis an das Ufer der Saale. Am Fuße eines hohen Felsens ließ er das Heerlager aufschlagen (= Zelte für die Armee aufstellen). Eines Abends stieg Drusus auf den Felsen. Er überlegte, wo er eine Brücke über die Saale bauen könnte. Plötzlich trat eine riesige Frau auf ihn zu. Mit zornigem Blick rief sie: „Geh weg vom Stein! Dein Leben ist mein kommst nimmer heim!“Drusus erschrak. Am Morgen ließ er das Heerlager abbrechen. Eilig zog er mit seinen Soldaten von der Saale weg. So eilig hatte er es, dass sein Pferd stürzte. Drusus brach sich ein Bein. Die Wunde heilte nicht; nach dreißig Tagen war er tot. Die Riesenfrau hatte Recht behalten: er kam nicht mehr nach Hause. Von dem geheimnisvollen Spruch: „Geh weg vom Stein“ erhielt der Felsen den Namen „Giebichenstein“.

  1. Der Giebichenstein als Gesamtburg. Schultze-Gallera, 1933 S. 4
  2. Dreyhaupt II S. 848
  3. Die Entwicklung von Halle (Saale) im frühen und hohen Mitelalter .Volker Herrmann. Veröffentlichung des Landesamtes für Archäologie. S.27

Zeit der Franken

  • Nach der Zeit des thüringischen Reiches (bis 531 n. Chr.) fällt das Gebiet zunächst an die Sachsen. Es wird berichtet, dass die Herrscher aus den Bewohnern der Bug Giebichenstein ihre 12 Tetrarchen gewählt haben: „Ehe Karolus M. die Sachsen bezwang haben selbige aus diese Gegend mitbewohnt und soll Giebichenstein (alte Burg) seine eigenen Herren gehabt haben, die in solchem Ansehen gewesen, dass die Sachsen aus ihnen ihre 12 Tetratchs, die sie jährlich zu erwählen pflegen mitgenommen hätten.“[1]
Die Expansion des Frankenreichs von 481 bis 814 .
  • Seit Zerfall des thüringischen Reiches (531 n. Chr.) Vormarsch der Franken unter Childebert. Gallera berichtet dass hohen Tributforderungen an die Wariner (ein germ. Stamm) 595 n. Chr. zu einem Aufstand gegen die Franken führten, der eine fast völligen Vernichtung der Wariner nach sich zog[2]. Dies ermöglichte eine Besiedelung durch Slawen (Sorben), v.a. im südlichen Teil (das ist das heutige Halle). Den Slawen gelang es im 7. und 8. Jh. die Elbe wie auch die Saale zu überschreiten und an deren Ufern Befestigungen anzulegen[3]. Sie wurden erst durch die Franken (Karolinger) im späten 8. Jh. über die Saale zurückgedrängt.
  1. Dreyhaupt II 848
  2. Der Giebichenstein als Gesamtburg. Schultze-Gallera, 1933 S. 13
  3. http://www.lda-lsa.de/zeitstrahl/

Zeit der Ottonen

  • archäologische Funde aus dem 7. bis 10. Jahrhunderts deuten auf mehrere frühmittelalterliche Siedlungskerne: im Tal (das ist der Altstadtkern Halles), in der Unterburg und auf Lehmanns Felsen. Im Bereich der „Alten Burg“, dem möglichen Standort der in ottonischen und salischen Schriftquellen sowie in der Chronik von Thietmar von Merseburg belegten Reichsburg, reichen die Funde mindestens bis in das 10. Jahrhundert zurück[1].
  • 780 Anlegen zweier Kastelle entlang der Saale (bei Magdeburg und Halle), durch Karl des Großen (768-814), siehe schwarze Burg. Das Herzogtum Sachsen wird in das Frankenreich eingegliedert. Gemeinsame Vorstöße gegen die Slawen führt 834 n. Chr. zur Zerstörung der Hauptburg der Coledizier - heute Cösitz im Landkreis Köthen.[2]
  • Ende 9. Jhd: Gebiet unter der Oberherrschaft des thüringischen Herzogs Burkhard (Kastell Halle, Kastell Giebichenstein, Salzquellen), Er residierte in Merseburg. Durch Einfall der Sachsen werden die beiden Burgen stark zerstört. Burkard fällt im Kampf. Einfälle der Ungarn[3].
  • 919 wurde Heinrich I als Sachse König über das ostfränkisches Reich. Er musste sich gegen die Raubzüge der Ungarn sichern und baut daraufhin viele Burgen aus, auch das heutige Giebichenstein. Sie galt (auch wegen der Solquelle) als Hauptburg im Gau Neletici. Auf ihr finden die Märkte und militärischen Versammlungen statt, ist oberstes Blut- und Kriminalgericht und bis 982 war Halle Giebichenstein unterworfen. Größe des Gaus Neletici: Süden: die weiße Elster, Norden: Götsche über Nehlitz bis Strengbach, Osten: Strengbach, Westen: Saale.
  • Otto I. übernahm 936 n. Chr. die Regentschaft über das ostfränkische Reich. Er gründete 937 das Maritiuskloster zu Magdeburg und schenkte dem Kloster im Jahre 961 den Ort Giebichenstein mit den umliegenden Ländereien und mit der Salzquelle [4]. Die Oberburg blieb Reichsburg. Der Merianstich läßt hier noch Reste von Befestigungsanlagen erahnen (Abb. 4). Die im Hintergrund abgebildete Oberburg scheint hingegen erst im Laufe des 11. Jahrhunderts und dann wohl als erzbischöflich Magdeburger Burgsitz ausgebaut worden zu sein[5].
  • Das civitas Giebichenstein war auf dem Gelände der heutigen Unterburg. Schriftliche Überlieferung für den Raum beziehen sich fast ausschließlich auf den Ort Giebichenstein, der als Burgort mit reichen Solequellen und ausgestattet mit Zoll, Bann und Münze genannt wird[6]. Halle taucht im Gegensatz dazu erst im Jahr 1064 in Zusammenhang mit einer Beurkundung Heinrichs IV. in den Schriftquellen auf. Im 11. Jahrhundert werden auch erstmals ausdrücklich Kaufleute aus Halle erwähnt und erst im Jahr 1177 wird der Ort explizit als Stadt genannt.


Vom Mittelalter bis heute

  • Im Jahre 968 wird Magdeburg Erzbistum wodurch eine enge Verknüpfung des Giebichenstein mit dem Erzbistum entsteht, es wird erzbischöflicher Verwaltungssitz. Die nächsten Jahrhunderte sind geprägt von einem ständiger Kampf zw. Stadt Halle (der Pfännerschaft) und dem Erzbistum. Aufgrund des wirtschaftliche Aufschwungs Halles im 13. Jhd. und den Bau der Moritzburg als „Zwingfeste“ 1487-1523 (Besetzung der Stadt durch Erzbischof Wettin, Calber Landtag 1479: Halle verliert seine Unabhängigkeit vom Erzbistums) verliert Giebichenstein zunehmend seine politische Bedeutung. (Die Zeit der Erzbischöfe ist ein eigenes Kapitel und wird noch gesondert bearbeitet werden)Kursiver Text
Kupferstich von Caspar Merian (1637) zeigt Teile der alten Burganlage.
  1. Die Entwicklung von Halle (Saale) im frühen und hohen Mitelalter.Volker Herrmann. Veröffentlichung des Landesamtes für Archäologie.
  2. http://www.lda-lsa.de/zeitstrahl/
  3. Der Giebichenstein als Gesamtburg. Schultze-Gallera, 1933 S. 13
  4. Der Giebichenstein als Gesamtburg. Schultze-Gallera, 1933 S. 14-18
  5. Die Topographie von Halle (Saale) im Mittelalter. Volker Herrmann
  6. Die Topographie von Halle (Saale) im Mittelalter. Volker Herrmann
  • Nach dem Bau der Moritzburg blieb die Burg Giebichenstein nur noch als Amtssitz von Bedeutung. Ursprünglich wurde von hier aus der gesamte erzbischöfliche Grundbesitz im Saalkreis verwaltet.
  • 17. Jh. erneute Beginn einer Blütezeit für das Amt Giebichenstein mit zahlreichen Umbauten der Unterburg. Die Oberburg wird lediglich als Steinbruch verwendet. Anlage des Amtsgartens[1].
  • 1756-1763 Jh. Große Verwüstungen durch den siebenjährigen Krieg, zahlreiche Gebietsabgaben.
  • Im Jahre 1785 ist das Amt Giebichenstein immer noch das größte im Herzogtum Magdeburg. Neben dem Ort Giebichenstein gehören ihm die Vorwerke Seeben, Kröllwitz, Gronau und Niedleben sowie drei Mühlen. Seiner Gerichtsbarkeit unterstanden die Städte Glaucha, Neumarkt, Könnern und Löbejün sowie insgesamt 57 Dörfer, die in fünf Pflegen, die Heidepflege, die Holz- oder Auenpflege, die Osmündische Pflege, die Oppinsche Pflege und die Götschauer Pflege, eingeteilt waren[2].
Größe des Amtes Giebichenstein.
  • Im 19 Jh. wird der Amtsgarten wird zu einem Naturpark mit Burgruine. Er wird zu einem bedeutenden Ort für die deutsche Romantik (es kamen Eichendorff, Brentano, Fourqué, Novalis von Arnim. Tiek, Wackenroder)
  • 1813: Giebichenstein wird des Amtes enthoben und unter die preußische Krone gestellt (der Komplex umfasste ursprüngl. 9000 Morgen (2.3 ha) Acker, Wiesen, Wieden, Waldungen, 1900: nur noch 2677 Morgen)
  • Am 6.6.1906 Ankauf der Oberburg Giebichenstein und des Amtsgartens durch die Stadt Halle (für 135 000 Mark)[3]
Größe des Amtes Giebichenstein.
Ältester Stadtplan von Halle.


  1. Der Giebichenstein als Gesamtburg. Schultze-Gallera, 1933 S. 68ff.
  2. Das Amt Giebichenstein. http://recherche.lha.sachsen-anhalt.de/Query/detail.aspx?ID=4963
  3. Richard Robert Rive, Beiträge zum Wirken des halleschen Oberbürgermeisters 1906-1933, fliegenkopf verlag, S. 188