Schnell, Walter * 10.3.1891 † 07.01.1960

Aus Stadtgeschichte Halle
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Walter Schnell

Mitwirkung an NS-Medizinverbrechen [1]

  • 1920 Stadtassistenzarzt, dann Stadtarzt im Gesundheitsamt
  • 1922 Gründung einer Eheberatungsstelle, die eugenische Ziele verfolgte, ca. 300 Beratungen pro Jahr
  • ab 1925 Chef des Gesundheitsamtes in Halle/Saale, sein Vorgänger war Wilhelm von Drigalski, dieser baute bereits in den 20er Jahren eine Karthotek zur sog. Schwachsinnsfailien auf
  • unter Walter Schnell kam es zum Aufbau einer fotografisch-anthroposophischen Erfassung der hallischen Bevölkerung zur Dokumentation der rassischen Zusammensetzung Halles
  • enge Zusammenarbeit mit Prof. Hans Hahne --> Anlage einer rassenkundliche Materialsammlung
  • Einflussnahme durch Lehraufträge an der MLU zum Thema Rassenhygiene und Sozialhygiene
  • ab 1933: lückenlose Erfassung aller in Halle geborener Kinder inkl. der arischen Abstammung und rassengesundheitlichen Wertung
  • umfassende Dokumentation aus schulärztliche Untersuchungen an Hilfschulen, "Sonderuntersuchungen" an Erntehelfern und Wanderarbeitern, aus der Zusammenarbeit mit psychiatrischen Anstalten, Alters- und Pflegeheimen, Obdachlosenasyl, ... zur Umsetzung des Sterisationsgesetzes, des "Ehegesundheitsgesetzes" und Durchführung der "Erbbestandsaufnahme".
  • ab 1934: Anstellung eines Arztes zur Sichtung und Kontrolle des Materials
  • W. Schnell war Dozent an der MLU, Mitarbeiter des Rassenpolitischen Gauamtes und Referent für rassenpolitische Schulungen des DRK, Mitarbeit am Erbgesundheitsgericht zur Entscheidung über die Vornahme von Zwangssterilisationen
  • Schnell war Mitglied im NS-Ärztebund, NS-Dozentenbund, NSV
  • Besetzung der entscheidenen Posten im Gesundheitsamt mit Nationalsozialisten (6 von 10 der angestellten Ärzte waren Mitglieder in der NSDAP)
  • ab 1936: Horst Schumann wurde Stellvertreter von W. Schnell, H. Schumann war ab 1939 Tötungsarzt im KZ Grafeneck, ab 1940 übernahm er die neueröffnete Vergasungsanstalt in Sonnenstein/Pirna, bis 1941 Vergasung von 14000 Psychiatriepatienten und 1000 KZ-Häftlingen. Er verstand die systematische Vergasung als letzte ärztliche Handlung und als notwendige Maßnahme um die Menschheit von "Ballastexistenzen" zu befreien. Ab 1941 Teil der Ärztekommision im KZ Buchenwald und Auschwitz. Ab 1942 KZ-Arzt in Auschwitz: Sterilisationsversuche mit Hilfe von Röntgenstrahlen um die Arbeitskraft zu erhalten aber die Fortpflanzung zu verhinden. Viele Häftliche starben an den Folgen der Wundinfektionen oder den Kontrolloperationen, bis die Sterilisatioin durch Bestrahlung aufgrund ihrer geringen Zuverlässigkeit 1944 schließlich eingestellt wurden.
  • Karl Pönitz wurde Leiter der Abteilung Erbbiologie, dieser gehörte später zu den Mitwissern der Krankenmorde. In seinem Bereich befasste er sich als Sachverständiger bei Gerichten, betreute psychopathische und schwachsinnige Kinder, er war Mitglied des Erbgesundheitsgerichtes und wurde u.a. auch zur Beurteilung des "rassischen Wertes" von Ostarbeiterinnen herangezogen, um Abtreibungen vornehmen zu können
  • ab 1939/40 Übergang von Zwangsterilisationen zu Mordaktionen an psychisch Kranken, geistig Behinderten, Epileptikern, Demenzkranken, Körperbehinderte und Angehörige sozialer Randgruppen, eine wichtige Rolle hierbei hatte Horst Schumann
  • ab 1940 wurde Schnell ebenfalls Leiter des Gesundheitsamtes in Lodz (jüd. Ghetto mit 157 000 Einwohnern)
  • er war einer der Unterstützer des Euthanasie-Gesetzes zur Tötung lebensunwerten Lebens, welches aufgrund des Kriegsendes jedoch nie umgesetzt wurde
  • ab 1943 wurde Richard Neuendorff wegen der Abwesenheit von W. Schnell kommisarischer Leiter des Gesundheitsamtes Halles. Er beteiligte sich an der Tötung sog. "Asozialer", deren Erfassung und Vernichtung rassenhygienische Motivation zugrunde lag. Die in diesem Rahmen festgenommenen "Prostituierten" gelangten meist in das KZ Ravensbrück von wo aus viele in das KZ Auschwitz deportiert wurden.
  • Nach dem Krieg wurde Neuendorff von dem hallischen Oberbürgermeister in Schutz genommen, auch Karl Pönitz gelang es schnell beruflich wieder aufzusteigen, er wurde 1950 Direktor der Universitätsnervenheilanstalt.
  • Schnell kam in Marburg unter und wurde vom Rektor der MLU Otto Eißfeld in einem Schreiben als Gegner der NSDAP dargestellt, der sich nur zum Wohle der Stadt als ein Anhänger der NSDAP ausgegeben hätte. Eine wichtige Rolle bei der Entnazifierung Schnells hatte auch Drigalski (ehem. Chef des GA vor Schnell), welcher inzwischen hessischer Ministerialrat war und bedeutenden Einfluss hatte.
  • 50er Jahre: Schnell wurde geschäftsführender Präsident des "Grünen Kreuzes" und Herausgeber des Kongressberichtes der "Deutschen Zentrale für Volksgesundspflege".
  • 1960 stieß die Kriminalpolizei bei der Fahndung nach Euthanasietätern auf Schnell, aber zu diesem Zeitpunkt war dieser bereits verstorben.


<references>

  1. Hirschinger, Frank, Die Beteiligung von Ärzten des Stadtgesundheitsamtes Halle an NS-Medizinverbrechen In: Stadt und Gesundheit Stukenbrock, Karin /Helm,Jürgen (Hg.), Mitteldeutscher Verlag 2006