Juden in Halle

Aus Stadtgeschichte Halle
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Seit wann Juden in Halle siedelten

  • Der Probst des Klosters zum Neuwerk schreibt, er habe „gewisse Dokumente in hebräischer Sprache gefunden, dass bereits vor Christi Geburt Juden allhier bewohnet hätten“ (die Angabe ist „ungewiss“ lt. Erläuterungen der güldenen Bulle Teil 1, S. 844 von Canzler von Ludwig)[1]
  • Besser belegt: im 10 Jh. Siedelten Juden in Magdeburg und auch in Halle: „als die Kaiser ,Ottones, das Erzstift gestiftet, haben sie ihm auch die in demselben wohnhaften Juden mit übergeben[2].
  • Erste Erwähnung von Juden in Halle durch den spanischen Juden Ibrahim ibn Jakub. Er erwähnt in seinem Reisebericht über die Slawenlande aus dem Jahre 965 jüdische Salzwerke am Fluss Salawa. Ein genauer Standort lässt sich aber nicht nachweisen[3].
  • Neuhaus führt eine sagenumwogene Überlieferung auf, wonach die Juden während der Kriege unter den Persern ca. 100 Jahre nach dem Auftreten des falschen Propheten Mohamed aus Persien geflohen und nach Russland, Aschkanas (=Deutschland) und ססבונניא gekommen seien zu den Juden, welche dort vorher lebten, und im Besonderen in die Stadt היילא, (nach anderer Lesart האל) wo Mar Sutra begraben liegt. Dort war Schulhaupt Binjamin ben Serach und 5 andere Männer. Unter ססבונניא könnte Slovonia, aber auch Saxonia gemeint sein, und letzteres ist wahrscheinlich unter Berücksichtigung der folgenden Stadtangabe. Denn welche Stadt könnte unter היילא gemeint sein, wenn nicht Halle?[4]
  • Aus alten Berichten geht hervor, dass Gerüchte über uralte Siedlungen im Sachsenlande und in Halle im Besonderen verbreitet waren. Wie aber Mar Sutra, ein babylonischer Hochschullehrer aus dem 5. Jahrhundert nach Halle kommt und dort begraben wird, ist nicht recht erklärlich.[5]
  • Erste Urkundliche Erwähnung von Juden in Halle stammt aus dem Jahre 1184. „Erzbischof Wichmann von Magdeburg gründete das Kloster Seeburg und schenkte ihm jährlich 2 Mark, welche allerdings von den hallenser Juden zu zahlen wären“[6]. Dazu bei Dreyhaupt: Um 1013 wohnten schon viele Juden in Halle und entrichteten dem Erzbischof ein Schutzgeld, „von welchem auch Wichmann der Probstey zu Seeburg zwey Mark jährlich verschrieben hat.“[7]
  • „Grube[8] vermutet eine Judenniederlassung schon zur Zeit der sorbischen Siedlungen. Da es an Beweisen hierfür mangelt und auch nicht zu ersehen ist, woher im 8. Jahrhundert Juden hätten kommen können, zumal zu dieser Zeit nirgends sonst in Thüringen oder Sachsen Juden weilen, muss diese Vermutung zurückgewiesen werden. Erst gegen Ende des 10. Jahrhunderts können Judensiedlungen in Halle angenommen werden.[9]


  1. Dreyhaupt Bd. 2, S. 442
  2. Vgl. Dreyhaupt I, S.9
  3. Dietzel, 1992, S. 10
  4. Neufeld 1915, S. 33
  5. Neufeld 1915, S. 34
  6. Dietzel, 1992, S. 12
  7. Vgl. Dreyhaupt I, S.22
  8. Grube, Johannes Busch, Augustinerprobst zu Hildesheim, Freiburg i. B. 1881; zit. bei Neufeld 1915, S. 16
  9. Neufeld, 1915, S. 16


Lage des Judendorfes

  • Die Lage des Judendorfes in Halle ist durch archäologische Grabungen nachgewiesen worden. Schon die erste Ringmauer Halles umschloss die jüdische Ansiedlung. Sie war relativ groß und umfasste die Fläche von der Neumühle über das Areal der Moritzburg bis zum Kirchhof der alten Ulrichkirche. Der Friedhof lag außerhalb auf dem Gelände des heutigen Jägerplatzes. Ein Probst des Klosters Neuwerk, Johannes Buschius, schrieb, dass man zu seiner Zeit (1448/56) auf dem jüdischen Friedhof zu Halle uralte Grabsteine mit hebräischer Schrift sehen konnte. Nach der Vertreibung der halleschen Juden von 1493 ließ Kardinal Albrecht den Friedhof zwischen 1534 und 1537 zum Bau der Jägerbastion einebnen. Beim Verlegen von Fernheizungsrohren nördlich vom heutigen Jägerplatz und an der Großen Wallstraße entdeckten im Jahre 1987 Bauarbeiter Körpergräber, die von Mitarbeitern des Museums für Ur- und Frühgeschichte ausgewertet wurden. Es ließen sich ein slawischer und ein jüdischer Friedhof nachweisen.[1]
    • Dreyhaupt dazu: Die Juden wohnten neben dem ehemaligen schwarzen Schlosse, wo jetzt die Moritzburg ist, nach dem Neumarkt zu, welcher Platz das Judendorf genennt ward, und begriff die Gegend vom Ulrichsthore nach der Saales, den Jägerberg und Jägerplatz bis in die Fleischergasse auf dem Neumarkt.[2]
    • Jahn dazu: Lage des ehemaligen Judendorfes etwa "auf dem Dreieck, welches heute durch Moritzburg, Lazareth, Schlossberg und Paradeplatz bestimmt wird."[3] Ersichtlich "auf der nach Olearius` Angaben angefertigten Karte von J. C. Homann "Darstellung des Grundrisses der Stadt Halle, Nürnberg ca. 1720""
  • Lage des ehemaligen Judendorfes etwa "auf dem Dreieck, welches heute durch Moritzburg, Lazareth, Schlossberg und Paradeplatz bestimmt wird." (W. Jahn, Halles älteste Befestigung im Nordwesten und das Judendorf, zitiert bei Neufeld, S. 24 )
  • Der Bericht von W. Jahn ist zu finden unter: http://zs.thulb.uni-jena.de/rsc/viewer/jportal_derivate_00211604/neumittaudeg_1885-89_17_0517.tif
  • Ersichtlich "auf der nach Olearius` Angaben angefertigten Karte von J. C. Homann "Darstellung des Grundrisses der Stadt Halle, Nürnberg ca. 1720""[4]
  • Die Mikwah (rituelles Badehaus) der Juden befand sich nach Jahn auf dem Gelände der späteren Moritzburg. „Tauchhaus ist nichts weiter als „Badehaus“, eine unbenaue Wiedergabe des hebräischen Wortes (mikwah), d.h. Sammelplatz des Wassers, mit welchem die Juden ihre, nach ganz besondern Vorschriften angelegte offizielle Badeanstalt bezeichneten, in der namentlich die Frauen sich den von dem Ritus geforderten periodischen Waschungen unterwarfen. Dieses Badehaus also, welches wir uns zusammen mit den damit verbundenen Räumlichkeiten, die der Erholung dienten, als ein stattliches Gebäude vorzustellen haben, war es, welches sich auf dem der Saale zugekehrten Teile desjenigen Platzes erhob, der noch heute von den Ruinen der Moritzburg eingenommen wird.“[5]
  • Dietzel meint dagegen, „archäologische Ausgrabungen im Jahre 1985 brachten einen als Brunnen gedeuteten gemauerten Schacht an der Nordostecke des heutigen Physikalischen Instituts an Tageslicht, der möglicherweise als Mikwe gedient haben mag.“[6]
  • Im Jahr 1474 stellt Erzbischof Johannes dem Juden Gossmann einen Schutzbrief auf drei Jahre aus und erlaubt ihm, mit seiner Familie und seinem Gesinde „uff unserm Nwenmarckte vor unser stad halle ader andersswo In unserm lande“ zu wohnen[7]
  • Die Mikwah (rituelles Badehaus) der Juden befand sich nach Jahn auf dem Gelände der späteren Moritzburg.[8]
  • Nach der Vertreibung der Juden um 1450 bleiben die Häuser der Juden „grösstenteils erhalten; die rituelle Badeanstalt wurde abgebrochen und an ihre Stelle das Pfeiferhaus gesetzt. Da jedoch einige von einander unabhängige Quellen nur von einer Versetzung des Pfeiferhauses ins Judendorf sprechen, so ist es auch möglich, dass es an der Stelle anderer Judenhäuser aufgebaut wurde, dass dagegen die Badeanstalt weiter bestand.[9]
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  • Das Judendorf muss von ziemlichem Umgange und wohl bewohnt gewesen seyn; wie aus einem 1314 ausgestellten Diploma erhellet und auch daran zu erkennen ist, dass auf dem Neumarkt hin und wieder an den Häusern Eck- und Schwellsteine mit hebräischer Schrift gefunden werden. Vermuthlich sind auch manche mit in den Mauern verbraucht worden; wie sich denn in des Pastoris Wohnung nach von außen ein solcher Stein eingemauert findet.[10]


  1. Dietzel, 1992, S. 10-11
  2. Dreyhaupt Bd. 2, S. 442
  3. W. Jahn, Halles älteste Befestigung im Nordwesten und das Judendorf, zitiert bei Neufeld, S. 24
  4. Neufeld, 1915, S. 24
  5. Jahn, 1887, S. 507
  6. Dietzel, 1992, S. 11
  7. fehlende Quellenangabe
  8. Jahn, 1887, S. 507
  9. Neufeld 1915, S. 58
  10. Dreyhaupt Bd. 2, S. 442f

Wo sich die ehemalige Synagoge befand

  • „Um die Gegend, wo jetzt das Reithaus steht war die Synagoge und der Judenkirchhof war ohnweit des Closters zum Neuwerk zu dessen Vergrößerung die Juden 1401 … noch ein Stück Land erkauft.“[1]
  • Busch berichtet ferner, die Synagoge sei in einer Kapelle der Jungfrau Maria verwandelt worden. Diese Mitteilung ist falsch. Das Datum der Auswanderung ist das Jahr 1458.[2]


  1. Dreyhaupt I, S.76 und Dreyhaupt Bd. 2, S. 442f
  2. Dietzel, 1992, S. 58


Situation der Juden in Halle

… „Ihr Richter war der Erzbischöfliche Schultheiß, welcher auch bey seiner Verpflichtung schwören musste, dass er die Juden hieselbst väterlich handhaben wolle.“ Dreyhaupt Bd. 2, S. 443: Da die Juden, ihrer Nahrung wegen täglich aus ihrem Dorf in der Stadt umhergingen, so haben sie auch nach damaligem Gebrauch, von dem Rath die Vergleithung , d.i. Schutz, wider den Pöbel erhalten müssen.[1]


  1. Dreyhaupt Bd. 2, S. 443


Pogrome und Verfolgungen im Mittelalter

  • Ao. 1205 wurden sie ausgeplündert und umgebracht.[1]
  • Wahrscheinlich 1207 wird von Christen das Judendorf in Brand gesteckt und werden die Juden vertrieben. Erzbischof Albrecht II protestierte gegen die Verfolgung seiner Schützlinge und zwang die Stadt, ihm 1000 Mark Silber als Entschädigung für den Einnahmeausfall und die wirtschaftliche Beeinträchtigung zu zahlen. Die Juden kehrten bald wieder in ihre Heimatstadt zurück.[2]
  • Pogrom unter Puperto Ao. 1261[3]
  • Als 1261 Erzbischof Robert den Magdeburger Stuhl bestieg, fehlte ihm ein Teil der Mittel, um das Pallium decken zu lassen. Er überfiel erst die zum Laubhüttenfest versammelten Magdeburger Juden und versuchte von ihnen angeblich 100 000 Mark zu erpressen, plünderte auch ihre Häuser und wandte sich danach Halle zu, wo sich der Vorgang wiederholte, die halleschen Juden gefangen genommen wurden, um sich am Lösegeld zu beteiligen. Die halleschen Bürger verteidigten aber „ihre“ Juden. Darauf belagerte Erzbischof Robert die Stadt zwei Jahre lang und lag in Fehde mit ihr.[4]
  • Im Jahre 1310 unternahm die Stadt den Versuch, die Juden von sich aus zu besteuern. Die nun doppelte finanzielle Last beschleunigte ihren Entschluss, nach der großen Feuersbrunst, die Halle schwer heimsuchte und die man wohl den Juden zur Last legte, den Ort zu verlassen. Sie taten dies wohl auch, um Ausschreitungen vorzubeugen.[5]
  • Erzbischof Burchard III. schenkte 1314 das leerstehende Judendorf an das Kloster „zum neuen Werk“. In der Schenkungsurkunde heißt es ausdrücklich, dass ehemals Juden auf diesem Gebiet wohnten. Als sich die Lage beruhigt hatte, kehrten sie wieder in das nicht zerstörte „Judendorf“ zurück. Von nun an lebten die Juden im Schutz des Klosters Neuwerk.[6]
  • 1314 wird das Judendorf an das Closter Neuwerk geschenkt  folglich waren die Juden „gänzlich aus Halle vertrieben worden“[7]
  • 1348/49 schwere Pestepidemie in Halle. Ausschreitungen gegen das Judendorf mit vielen Opfern. Die übrigen Juden verließen wahrscheinlich die Stadt. Das Judendorf ging in den Besitz der Stadt über. Erzbischof Otto verkaufte es für 370 Schock Groschen am 21 September dem Rat. Das Recht auf die Juden, sofern sie sich in Halle wieder ansiedeln sollten, behielt er sich vor. Rückkehr der Juden zwischen 1351/52. Auflage von Zins für Häuser und Synagoge (12 rheinische Gulden). Konflikt zwischen Erzbischof Otto und dem Kloster Neuwerk, da der Bischof den Besitz des Klosters (die Juden) nicht ohne deren Zustimmung der Stadt veräußern kann. Am 30. Juni 1352 bewegte der den Probst Heinrich Boydewin, vor Schultheiss und Schöppen sein Recht auf das Judendorf aufzugeben. (Hier stellt sich die Frage nach Verantwortung der Bürgerschaft gegenüber den Juden)[8]
  • „jedoch hat das Closter die Juden wider eingenommen; denn Ao 1352 bewohneten sie das Judendorf, und Erzbischof Otto verkaufte es 1352 dem Rathe für 300 Schock Groschen. Otto kam deshalb in eigener Person vor Schultheiß und Schöppen in gehegt Gericht vor dem Rolande, und ließ dem Rath das Eigentum des Judendorfs gerichtlich auf. Von dieser Zeit an ist der Rath in dem Besitz des Judendorfs geblieben; für die Synagoge haben die Juden einen jährlichen Zins von zwölf Rheinischen Gulden, und so auch von ihren Wohnhäusern einen jährlichen Zins an den Rath entrichten müssen.[9]
  • Als Ao 1382 eine große Pest entstund, die viel Menschen in Deutschland wegraffete; beschuldigte man die Juden, dass sie die Brunnen vergiftet. Daher stürmte der Pöbel ihre Häuser, und schlug sie in Menge tod.“ Erzbischof IV empfand solches sehr übel; und es würde diese Wuth der Stadt einen öffentliche Fehde zugezogen haben, wenn der Rath nicht damit Gelde die Aussöhnung gesucht hätte (Vgl. Drey I, S.72-74). Die Juden mussten daraufhin dem Erzbischof 1000, und dem Rath 1500 Mark Silber erlegen, um ihre ruinierten Häuser wieder aufbauen zu dürfen. Hierauf hatten sie ein halbes Seculum Friede.[10]
  • Im 15. Jahrhundert werden Juden erstmals auch vom König besteuert: König Sigismund brauchte Geld für sein Hofhaltung, seine Reisen und das Konstanzer Konzil. Später kamen die teuren Kämpfe gegen die Hussiten hinzu. „1415 befahl er, dass die sächsischen und thüringischen Juden die Steuer des dritten Pfennigs an seine Sendboten zu entrichten hätten. Sigismund befiehlt, dass nur der Erzbischof, nicht die Stadt über Steuern zu entscheiden habe.[11]
  • Zur Kaiserkrönung erhebt Sigismund von den Juden des Reiches eine Krönungssteuer. Von der halleschen Gemeinde wurden 1000 Gulden gefordert. Vergleicht man die Summe mit anderen Städten, kann man sagen, dass Halle im Mittelfeld lag. Die Stadt hatte entweder viele oder aber wohlhabende Juden.[12]
  • Karfreitag 1434 erneuter Volksaufstand gegen die Juden. Sie hatten das Verbot, von Gründonnerstag an vier Tage die Häuser nicht zu verlassen und Fenster und Türen verschlossen zu halten, verletzt, um , dem jüdischen Gesetz folgend, einen Verstorbenen zu beerdigen. Angeblich hätten sie dabei vor dem Sankt-Ulrichs-Kirchhof die christliche Religion gelästert, indem ein Jude „die marter Christi bespuckte. Der aufgebrachte Mob nachte, dass die Juden in wohlbegründeter und lebenssichernder Angst die Stadt verließen, obwohl Bürgermeister Holzwirth sie, freilich vergeblich, verteidigte. Der verärgerte Erzbischof Günther II. bewirkte 1336 ihre Rückkehr.[13]
  • Erzbischof Günther kommt als erster auf die profitable Idee, Juden Schutzbriefe auszustellen. In Halle sind solche Schutzbriefe seit 1440 nachgewiesen.[14]
  • „Ende der fünfziger Jahre des 15. Jahrhunderts begannen in Sachsen und Thüringen heftige Judenverfolgungen. Unter den antisemitischen Predigern tat sich in Halle Gerhard Dobler hervor. Er verurteilte die Geldgeschäfte und übersah, dem restaurativen Zug der Zeit folgend, dass eben sie es waren, die das klerikal gehemmte und doch dringend benötigte Wirtschaftswachstum beförderten. Seine Absicht war es, jeglichen Verkehr zwischen Juden und Christen zu unterbinden. … Dobler fiel es nicht schwer, seine Zuhörer gegen die Juden aufzuhetzen. Der Rat hinderte sie sogar am Besuch der Synagoge. Auf die Verfügung von Nikolaus Cusanus[15]mussten sie besondere Abzeichen tragen und, zum Schaden der Bürger, die Geldgeschäfte aufgeben. Ihres Broterwerbs beraubt, verließen die Juden 1448 Halle. Der Rat bekam es mit der Angst zu tun und meldete dem kaiserlichen Fiskal in einem Rechtfertigungsschreiben, dass er die Juden nicht vertrieben habe, sondern sie vielmehr „unvertrieben“ die Stadt verlassen hätten. Einige der Juden.“ Einige der Juden siedelten in der näheren Umgebung und klagten beim kaiserlichen Fiskal Dr. Hartung von Cappel über die schimpfliche Behandlung des Rates. „Die Häuser der Juden blieben erhalten, nur die Mikwe, das rituelle Badehaus wurde abgebrochen.“ Dier Synagoge überdauerte und wurde Gegenstand eines heftigen Streites. Der Rat wollte sich nach dem Abzug der Juden in den Besitz des Judendorfes setzen. Erzbischof Friedrich jedoch erhob seinen Anspruch auf die dortige Synagoge mit der Begründung: „Die Synagoge stünde der Ceremonien und der Heiligkeit halber ihm zu, weil das neue Testament aus dem alten gekommen sei, und im alten Testament die Synagoge der Tempel gewesen, auch in dieser die Juden Gott gedient hätten, daher sich keine weltliche Obrigkeit, wer es auch sei, derselben als einer geistlichen Sache anmassen könne. … Der Streit um die Synagoge zog sich bis 1467 hin. Kauser Friedrich legte fest, dass weder dem Erzbischof noch der Stadt die Synagoge zuzusprechen wäre, sondern dem kursächsischen Amtmann Nicolaus Pflugk von Knauthayn. … Der hallesche Rat kaufte ihm die Synagoge ab.“[16]
  • Als der Cardinal Cusanus kam und verordnete, dass die Juden ein Unterscheidungs-zeichen tragen und bei Strafe des Bannes nicht mehr Wucher treiben sollten: zogen sie von hier weg, und verklagten den Rath 1459 vor sich an den Kayserlichen Hof. Allein der Rath sandte seinen Syndicum, mit einer schriftlichen Verantwortung nach Wien und erhielt, dass die Sache zu keiner gerichtlichen Handlung kam.[17]
  • Ernestus (Erzbischof Ernst) vertrieb die Juden wieder 1493 aus dem ganzen Erzstift. Das hiesige Judendorf ward gänzlich zerstört, und auf dessen Stelle guten theils die Moritzburg gebaut.[18]
    • Dazu Neufeld: „…1493 verbannte Erzbischof Ernst die Juden gänzlich aus dem Erzstift Magdeburg, mithin mussten sie auch Halle wieder verlassen. Wohin sich jetzt die Juden wandten, ist nirgends ersichtlich. Jedenfalls blieben die Lande Jahrhunderte lang judenrein. In anderen Teilen Sachsens und Thüringens dagegen lebten auch später Juden, so in Nordhausen noch 1559.[19]
    • Bereits 1484 war mit dem Bau der Moritzburg begonnen worden, so dass ein Teil der Judenhäuser abgerissen werden mussten. Kardinal Albrecht legte 1528 auf dem Gelände der Synagoge das alte Reithaus an.[20]
  • Der jüdische Friedhof wurde nach 1515 zerstört, die Steine wurden für Mauerwerk verwendet oder als Schwellensteine benutzt. Ein verbauter Grabstein hat sich am Eingang des Gemeindehauses der Laurentiusgemeinde (Breite Straße 29) erhalten. Er ist das einzig erhaltene steinerne Zeugnis der ersten jüdischen Besiedlung in Halle.[21]


  1. Quellenangabe fehlt!
  2. Dietzel, 1992, S. 12
  3. Dreyhaupt I, S.32
  4. Dietzel, 1992, S. 12-13, zitiert nach Germania Judaica. Tübingen: Mohr, Bd. 2,1., S. 319
  5. Dietzel, 1992, S. 12-13, zitiert nach Germania Judaica. Tübingen: Mohr, Bd. 2,1., S. 321
  6. Dietzel, 1992, S. 13
  7. Dreyhaupt? Quellenangabe fehlt
  8. Dreyhaupt Bd. 2, S. 443
  9. Dreyhaupt Bd. 2, S. 443-444
  10. Dreyhaupt Bd. 2, S. 444, vgl. auch Dietzel, 1992, S. 14
  11. Dietzel 1992, S. 17. zitiert nach Neufeld, S. 46.
  12. Dietzel 1992, S. 17
  13. Quellenangabe fehlt
  14. Dietzel, 1992, S. 18
  15. „Es hat sich aber gebind …, das der Erwirdigste Herr Cardinalis sancti Petri, dy Zeit Legat in teutschen Landen ein satzung vnd statut machte, das alle Juden in den Landen ein Zaichen, do bey man sy von den Cristen Lewten erkennen mochte, tragen vnd auch furboss keinen such oder Wucher nemen solden.“ Schreiben des Rates zu Halle an den kaiserl. Fiscal Hartung v. Cappel, abgedruckt bei Dreyhaupt, II, 501. Der Herr Cardinalis sancti Petri, dy Zeit Legat in teutschen Landen“ ist Nicolaus Cusanus, vgl. Deyhaupt, II, 496, Grube 127f.. Zit. bei Neufeld, S. 56, Anm. 168
  16. Dietzel, 1992, S. 19-20
  17. Dreyhaupt Bd. 2, S. 444
  18. Dreyhaupt Bd. 2, S. 445
  19. Neufeld, 1915, S. 64
  20. Dietzel, 1992, S. 21
  21. Dietzel, 1992, S. 21


Siedlungsplätze von Juden im Saalkreis

  • Juden wohnten vor 1000 in Magdeburg und Merseburg und wohl auch in Eisleben.[1]
  • Mit dem Namen Judendorf wird in den Jahren 1238 und 1244 auch eine Ortschaft bezeichnet, die bei Schlettau und Beuchlitz, unweit Halle liegt. Es ist sogar von der Judendorfer Mark die Rede; demnach handelt es sich also um eine Ortschaft mit fest bestimmten Grenzen. Obwohl Juden nicht aus diesem Orte genannt werden, ist anzunehmen, dass in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts, vielleicht auch früher, Juden daselbst gewohnt haben, da sonst der Name nicht recht erklärlich ist. Es ist möglich, dass wir es hier mit der ältesten halleschen Judensiedlung zu tun haben, während die Juden später in eine andere, oben näher bezeichnete Gegend zogen.[2]
  • In der Nähe von Halle wohnten außerdem Juden in Cönnern und in Löbejün. In Cönnern darf auf Grund eines Schutzbriefes des Erzbischofs Günther a. 1438 der Jude Jüdel und seine Familie frey, d.h. ohne Abgaben wohnen. In Löbejün führte noch zur Zeit Dreyhaupts (ca. 1750) eine Straße den Namen Judengasse.[3]
  • Beeindruckende Zeugnisse darüber, wie jüdische Kultur und Unternehmergeist unser Umland
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    prägten finden sich in dem Städtchen Gröbzig bei Köthen. "Die hohe Zahl jüdischer Zuwanderer in Gröbzig im 18. Jahrundert und in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ist einzigartig, nicht nur in der Geschichte des Fürstentums Anhalt, sondern auch in der gesamten deutschen Geschichte. Ihren Höchststand erreichte die jüdische Bevölkerung des Amtes Gröbzig um 1730 mit 15 Prozent der gesamten Einwohnerschaft." (Dick/Sassenberg 1998, S. 59). Das Wirken der jüdischen Bevölkerung ist in diesem Ort sehr gut dokumentiert. So etwa die Einführung des Zuckerrübenanbaus in Deutschland durch einen jüdischen Unternehmer aus Gröbzig. Die Symbiose von jüdischer und deutscher Kultur hat der jüdische Kaufmann und Mundartdichter Leo Löwenthal aus Gröbzig auf einzigartige Weise dokumentiert. Er schreibt: "Und war dieses duftige Sprachengemisch aus Hoch-Gröbziger und Jüdisch-deutsch beiden Konfessionen verständlich - unter unserm himmelsstrich gebräuchlich? Es war gebräuchlich! Zum Teil ist es jetzt noch so! Sechzig jüdische Familien in einem zweitausendköpfigen Gemeinwesen zeitigen ein Charakerbild, dessen Schattierung nich so leicht verwischt." (Leo Löwenthal, Achtundvierzig Tragische Erlebnisse einer kleinen Stadt, Berlin 1910, S. 110. Zit. nach Dick/Sassenberg, S. 64)
  1. Siehe Neufeld 1915, S. 18
  2. Neufeld 1915, S. 25
  3. Neufeld 1915, S. 26

Rückkehr der Juden nach Halle ab 1688

  • Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg erteilt Salomon Israel einen Schutzbrief für die Niederlassung in Halle. Er ist der erste Jude, der seit der nahezu zweihundertjährigen Verbannung der Juden aus Halle wieder aufgenommen wird.[1]
  • Der Judenschaft zu Halle wird vom König Friedrich I. ein Generalprivilegiu verliehen, in dem alle ihre Wünsche erfüllt werden. Es gilt als das "mildeste, wohlwollendste und freiheitlischste aller Judenedikte der Zeit."[2]


  1. Gerlinde Schlenker: Geschichte Sachsen-Anhalts in Daten, S. 125
  2. Gerlinde Schlenker: Geschichte Sachsen-Anhalts in Daten, S. 128

alter jüdischer Friedhof am Töpferplan

  • "Der alte Friedhof auf dem Töpferplan wurde bis 1870 belegt[1]Schon 1864 hatte die stetig wachsende Gemeinde an der Ecke Dessauer Straße/Humboldtstraße vorausschauend einen neuen Begräbnisplatz erworben, auf dem 1869 die erste Beisetzung stattfinden konnte. Dieser Friedhof befand sich damals in freiem Gelände weit vor der Stadt, heute liegt er am Rande des Paulusviertels, eines dich bebauten gründerzeitlichen Wohnquartiers, dessen Erschließung damals erst bevorstand. Der alte Friedhof wurde 1937 von den Nationalsozialisten zerstört. Die wertvollen historischen Grabsteine konnten jedoch geborgen und auf den neuen jüdischen Friedhof an der Boelckestraße (heute Dessauer Straße) verbracht werden, wo sie heute noch in der Nähe der ehemalischen Einsegnungshalle stehen."[2]


  1. Zur Geschichte der halleschen Friedhöfe vgl. 300 Jahre Juden in Halle. Leben-Leistung-Leiden-Hohn. Hg. von der Jüdischen Gemeinde zu Halle, Halle 1992, S. 59 und 80ff, auch Markus Felixbrodt: Jüdische Friedhöfe in Halle, in: Vorstand der Synagogengemeinde Halle/Saale (Hg.): Denkschrift aus Anlass der Weihe des neuen Friedhofes Boelckestraße am 20. November 1929, Halle 1929, S. 4-7. Vgl. auch Michael Brocke/Eckehart Ruthenberg/Kai Uwe Schulenburg: Stein und Name. Die jüdischen Friedhöfe in Ostdeutschland (Neue Bundesländer/DDR und Berlin), Berlin 1994, S. 404ff.
  2. Stadtmuseum Halle: Die Juden Halles zwischen Vertreibung und Integration, Stadtmuseum Halle 1998